Weltreise mit Katze: »Wo Mogli ist, bin ich zu Hause« - DER SPIEGEL

2021-12-27 04:25:41 By : Ms. Rayna Wang

SPIEGEL: Herr Klauka, Sie sind mit Ihrer Katze Mogli von Bayern über den Balkan und die Türkei, durch Iran und Pakistan bis nach Indien gereist. Wie kam es dazu?

Martin Klauka, 35, ist seit fast vier Jahren mit seiner Katze unterwegs. Über die Strecke von Rosenheim bis Nepal hat er das Buch »Einmal mit der Katze um die halbe Welt« geschrieben. Auf Instagram kann man die Reise der beiden begleiten. Vorher hat Klauka als Disponent in einer Spedition gearbeitet.

Martin Klauka: Das war so nie geplant. Ich war auf dem Rückweg von einer Motorradtour aus Marokko, mit Freunden. Wir haben gerade am Straßenrand Pause gemacht, als ich Mogli das erste Mal sah. Sie war klein, völlig abgemagert und kletterte mir einfach auf den Arm und blieb den ganzen Tag bei mir. Die Leute aus dem Ort erzählten, dass die Mutter überfahren wurde.

SPIEGEL: Und da haben Sie sie einfach mitgenommen?

Klauka: So ungefähr. An dem Straßenrand wäre sie wahrscheinlich gestorben. Ich habe also einfach mal ausprobiert, ob ich mit ihr in der Satteltasche Motorrad fahren kann. Am Anfang hatte sie natürlich Angst. Aber nach etwa zehn Minuten hat sie sich beruhigt. Wenn ich langsam fahre, klettert sie auch einfach auf dem Motorrad herum. Das mag ich nur nicht so gern, ich muss sie schon sehen können, damit ich weiß, dass sie sicher ist.

SPIEGEL: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, mit ihr um die Welt zu reisen?

Klauka: Das war eher andersherum: Ich hatte schon lange eine große Tour bis nach Dubai geplant und dafür jahrelang gespart. Dann habe ich Mogli gefunden und dachte, es ist ja bescheuert, eine Katze erst zu retten, um sie dann gleich wieder abzugeben. Und klar, ich habe sie wachsen sehen, sie zum Tierarzt gebracht, mich gekümmert – da verliebt man sich ja ein bisschen in so ein Tier. Also habe ich noch ein paar kleine Testtouren mit ihr gemacht, wir waren Campen in den Bergen, und ich habe geschaut, wie es ihr damit geht. Und dann sind wir zusammen los.

SPIEGEL: Jetzt gerade sind Sie in Uttarakhand im Himalaja.

Klauka: Genau. Eigentlich wollten wir schon vergangenes Jahr die Heimreise antreten, aber dann kam Corona, und wir sind in Indien geblieben. Bis vor Kurzem waren wir noch im Süden unterwegs, aber ich hatte dann Sehnsucht nach meinen Freunden hier im Norden, und ich wusste, dass es Mogli hier gut geht. Hier kann sie tagsüber raus, und ich muss mir nicht so viele Sorgen um befahrene Straßen machen.

Martin Klauka und Katze Mogli – seit vier Jahren gemeinsam unterwegs

SPIEGEL: Aber abends holen Sie Mogli rein?

Klauka: Ja, sonst wäre es zu gefährlich wegen der Leoparden. Die schnappen sich hier gern die Straßenhunde und Kühe im Dorf. Eines Abends saß ich am Schreibtisch und Mogli am Fenster hinter einem Fliegengitter aus Metall. Auf einmal gab es einen lauten Knall. Als ich hochschaute, sah ich einen Leoparden am Gitter, der gerade versucht hatte, Mogli zu reißen. Ich bin echt aufgesprungen vor Schreck.

SPIEGEL: Nicht nur andere Tiere reagieren auf Mogli – die Menschen, denen Sie begegnen, ja wahrscheinlich auch. Hilft oder hindert das beim Reisen?

Klauka: Das kommt drauf an. In Iran haben wir zum Beispiel kein Hotelzimmer bekommen, das ich mir hätte leisten können. Manche Menschen dort haben richtig Angst vor Katzen, sie laufen weg, wenn sie mich und Mogli kommen sehen – man kennt Katzen dort als Straßentiere, eigentlich leben nur hochgezüchtete Perserkatzen mit Menschen in Wohnungen. Eine Katze auf der Schulter wirkt fremd. In der Türkei dagegen haben sich die Leute gefreut, wenn ich mit Mogli irgendwo reinspaziert bin.

SPIEGEL: Was haben Sie dann in Iran gemacht, so ohne Hotelzimmer?

Klauka: Ich hatte zum Glück ein Zelt dabei, also haben wir gecampt. Ich wusste allerdings vor der Reise nicht, wie kalt es im Winter in der iranischen Hochebene wird. Da lagen wir dann bei Temperaturen um den Nullpunkt, ich hatte auch noch eine Lebensmittelvergiftung, es war nicht schön. Aber als ich meine Probleme auf Instagram geschildert habe, haben sich sofort Hunderte gemeldet, die uns für den Rest der Reise Schlafplätze angeboten haben. Das war der Wahnsinn, wie verantwortlich sich fremde Menschen dafür fühlten, dass es uns gut ging.

Wenn Klauka langsam fährt, klettert Mogli auf dem Motorrad herum und genießt die Aussicht

SPIEGEL: In Indien ist das Konzept von Katzen als Haustier auch nicht so weitverbreitet …

Klauka: … ja, ich sehe uns da auch als eine Art Botschafter. In einer Unterkunft im Süden hatte die Mutter der Familie am Anfang zum Beispiel richtig Angst vor Mogli – und kurz bevor wir abgereist sind, kam ich in die Küche und habe gesehen, wie sie sie mit Riesengarnelen füttert.

SPIEGEL: Sie sind weiter in Indien unterwegs, obwohl zwischenzeitlich wegen Corona die Krankenhäuser überfüllt waren, Sauerstoff knapp wurde und Menschen auf den Straßen gestorben sind. Wie viel kriegen Sie von dieser Katastrophe mit?

Klauka: Ich persönlich gar nicht so viel, auch, weil ich mich von Nachrichten fernhalte. Natürlich reise ich nicht in die Regionen, in denen es gerade besonders schlimm ist und schränke zeitweise auch meine Kontakte ein. Aber fast jeder, den ich hier kenne, hat einen Menschen verloren, seien es Kollegen, Großeltern oder Freunde. Ich weiß, dass manche Menschen im Westen glauben, Corona sei eine Verschwörung. Hier sieht man, dass das nicht so ist.

Mogli begleitet Klauka nicht nur auf dem Motorrad

SPIEGEL: Viele Langzeit-Reisende beschreiben eine gewisse Einsamkeit, die unterwegs entsteht: Man ist zwar die ganze Zeit von Menschen umgeben, aber trotzdem kennt man niemanden so richtig gut. Vielen fehlen alte Freunde oder die Familie. Im vergangenen Jahr kamen noch die Kontaktbeschränkungen dazu. Haben Sie sich manchmal allein gefühlt?

Klauka: Manchmal bestimmt. Aber hier in Uttarakhand war ich zum Beispiel so lange, dass ich auch hier richtige Freunde habe. Einen Kumpel, dem das Hotel eine Straße weiter gehört, treffe ich zum Beispiel fast jeden Abend. Wir kochen zusammen und quatschen. Das ist ein echter Freund, jemand, dem ich in die Augen schaue, nicht jemand, der mit mir befreundet sein will, um auf Instagram aufzutauchen oder um seinen Freunden den Weißen vorzuführen. Denn so was passiert auch öfter mal.

Eigentlich wollten Klauka und Mogli schon auf dem Heimweg sein – wegen Corona blieben sie in Indien

SPIEGEL: Und Sie sind ja auch nicht allein unterwegs. Hilft eine Katze, sich weniger einsam zu fühlen?

Klauka: Ja, ich kümmere mich um sie, suche Zimmer aus, die für uns beide gut sind, plane unsere Reisen und Tage nach unsren Bedürfnissen, das gibt mir eine Richtung. Wenn ich abends ins Zimmer komme und sie wartet, fühlt sich das ganz anders an als ein leeres Hotelzimmer. Wo Mogli ist, bin ich zu Hause.

SPIEGEL: Ist das nicht auch ein bisschen egoistisch?

Klauka: Am wohlsten fühlt sich Mogli, wenn sie irgendwo einfach Katze sein kann, schon klar. Aber wir sind oft länger an einem Ort, und ich lasse sie frei laufen. Ich glaube, jeder kann sehen, wie gut ich mich kümmere. Mogli ist gut gefüttert, ihr Fell glänzt, sie kann raus, sie spielt und benimmt sich wie eine Katze. Wenn sie unglücklich wäre, dann wäre sie schon längst weg.

SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt

SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.

Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.

Martin Klauka und Katze Mogli – seit vier Jahren gemeinsam unterwegs

Wenn Klauka langsam fährt, klettert Mogli auf dem Motorrad herum und genießt die Aussicht

Mogli begleitet Klauka nicht nur auf dem Motorrad

Eigentlich wollten Klauka und Mogli schon auf dem Heimweg sein – wegen Corona blieben sie in Indien

Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit