Rekord: Forscher lesen eine Million Jahre alte Mammut-DNA - Spektrum der Wissenschaft

2021-11-22 03:42:02 By : Ms. Lisa Jia

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Drei Zähne, drei Rekorde: Noch nie ist es Experten gelungen, älteres Erbgut zu sequenzieren als von drei Mammutzähnen, deren Genom nun von einem Forscherteam der Öffentlichkeit präsentiert wird. Zwei der mächtigen Backenzähne lagen über eine Million Jahre im Permafrost Sibiriens, der dritte rund 800.000 Jahre. Und selbst das hätte für einen Rekord gereicht, denn die älteste jemals aus Zellkernen extrahierte DNA stammte von einem Pferd, das vor 560.000 bis 780.000 Jahren starb.

Dieser dreifache Weltrekord ermöglicht Wissenschaftlern nun einen tiefen Einblick in die Familiengeschichte der Mammuts. Sie sind am besten als Kältespezialisten bekannt. Ihr Stammbaum wurzelt jedoch weit weg von Schnee und Eis in Afrika, wo sie vor fünf Millionen Jahren zum ersten Mal auftauchten.

Erst später wanderten frühe Vertreter dieser Gattung, die mit den heute noch lebenden asiatischen Elefanten am engsten verwandt sind, in den kühleren Norden. Dort passten sich die Mammuts dem Leben der kalten Zeiten an. Immer wieder drangen mächtige Eismassen bis nach Mitteleuropa vor, südlich der eiskalten Steppen, in denen die Tiere reichlich Gras und Kräuter fressen konnten.

Ähnlich wie in Europa und Asien veränderte sich auch in Nordamerika das Klima. Weil der Meeresspiegel während der Kälteperioden 120 oder 130 Meter tiefer lag als heute, konnten die Mammuts über die trockene Beringstraße von Sibirien bis nach Alaska stapfen. Die ältesten Funde auf dem amerikanischen Kontinent sind eineinhalb Millionen Jahre alt. Als die kalten Zeiten endlich kälter wurden, passten sich die Mammuts den härteren Bedingungen an. Neue Arten erschienen.

Das Erbgut der drei Zähne verrät nun mehr über diese Entwicklung. Es wurde von Tom van der Valk und Love Dalén vom Zentrum für Paläogenetik in Stockholm, Michael Hofreiter von der Universität Potsdam und zahlreichen anderen Experten auf dem Gebiet der Erforschung alter Gene isoliert. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Nature“ erläutern sie, wie sie vorgegangen sind und welche Erkenntnisse sich bereits aus den Ergebnissen ziehen lassen.

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Aus zwei Gründen suchten sie ausgerechnet in Nordostsibirien nach brauchbaren Proben: Zum einen liegt die Region nahe der Schnittstelle zwischen Nordamerika und Sibirien, sodass interessante Einblicke in die Herkunft der verschiedenen Mammutpopulationen gewonnen werden sollten Hier. Andererseits ist die Region heute wie damals eine der kältesten der Welt. An vielen Stellen ist der Boden dort einige hundert Meter tief gefroren. Selbst im Hochsommer taut es direkt an der Oberfläche nur wenige Zentimeter tief auf. Beste Chancen also für einen neuen Weltrekord bei der Entschlüsselung alter Gene, denn je kälter die Umgebung, in der die DNA überlebt, desto besser bleibt sie erhalten.

Zwei der untersuchten Backenzähne lagen in einer Permafrostschicht, die Wissenschaftler zuvor auf etwa 1 bis 1,2 Millionen Jahre geschätzt hatten, der dritte Zahn stammte aus einer jüngeren Position, die zwischen 500.000 und 800.000 Jahre alt sein dürfte. „Allerdings sind solche Daten nicht sehr genau“, erklärt Michael Hofreiter. Das trotz Permafrost zerkleinerte Erbgut wurde mit eigens dafür entwickelten Methoden aus den Zähnen gefischt. Dass sie erfolgreich waren, zeigt die immensen Fortschritte, die in diesem Bereich gemacht wurden.

Aus allen drei Mammutzähnen konnten sie das komplette Erbgut der Mitochondrien, sogenannte Miniaturkraftwerke, der Zellen extrahieren und sehr genau analysieren. Es sagte ihnen unter anderem, dass die Datierung der Bodenschichten weitgehend korrekt war. Das älteste Tier könnte sogar einige hunderttausend Jahre früher gestorben sein.

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Mitochondrien erlauben jedoch nur einen eingeschränkten Blick auf die Mammut-Evolution, da sie nur von der Mutter an ihre Nachkommen weitergegeben werden. „Dieses mitochondriale Genom liefert für sich genommen wichtige Informationen, birgt aber auch erhebliche Tücken“, sagt Hofreiter. Ein Beispiel: Das Präriemammut Nordamerikas lässt sich anatomisch gut vom Wollmammut unterscheiden und gilt daher als eigenständige Art. Dies spiegelt sich jedoch nicht in der bisher ausgelesenen mitochondrialen DNA wider. Es war schon immer eine der Linien, die man vom Wollmammut kennt.

Die Forscher hatten daher gute Gründe, die DNA aus den Zellkernen zu isolieren, die mit Abstand die meisten Erbinformationen eines Tieres enthalten. Aber davon gibt es viel weniger Material. Tatsächlich konnte das Team von den beiden ältesten Zähnen mit 49 und 884 Millionen DNA-Bausteinen nur einen winzigen oder kleinen Teil des Mammut-Erbmaterials gewinnen. Beim jüngsten hatten sie jedoch einen relativ hohen Anteil von 3.671 Millionen Bausteinen.

Wie sich die Abstammungslinien der Mammuts im Laufe der Jahrtausende aufgespalten haben, zeigt der Vergleich mit der DNA von Tieren, die viel jünger sind. Zum Beispiel lebte eines dieser Wollmammuts vor 48.000 Jahren im heutigen Schottland und vor 24.000 Jahren in Sibirien. Zu ihren Vorfahren gehörten – wie die genetischen Analysen nun ergaben – zwei der jetzt untersuchten Mammuts: Die mittleren und jüngsten waren Teil der Linie, aus der sich später die Wollmammuts entwickelten und deren Mitglieder als Steppenmammuts bekannt sind.

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Der älteste untersuchte Zahn hingegen war im Maul eines Mammuts gewachsen, das in keine der bisher bekannten Linien passte. Offensichtlich lebten in Sibirien lange Zeit zwei verschiedene Mammutlinien nebeneinander.

Mitglieder dieser bisher unbekannten Mammutlinie mischten sich später mit den Wollmammuts, die ohnehin in der Nachbarschaft in Sibirien lebten. Aus dieser Kreuzung entstand das Präriemammut, das bis vor etwa 10.000 Jahren in Nordamerika zwischen den großen Seen und den heutigen US-Bundesstaaten Kalifornien und Florida beheimatet war. Mit einer Schulterhöhe von vier Metern und einem Gewicht von bis zu zehn Tonnen war das Präriemammut sogar etwas größer als die heute in Afrika lebenden Savannenelefanten. Er ist einer der größten Vertreter der Elefanten, die je gelebt haben.

Wollige Mammuts waren auch nördlich seines Verbreitungsgebiets nach Nordamerika eingewandert. Sie unterschieden sich bereits ein wenig von ihren Verwandten jenseits der Beringstraße im alten Eurasien und mischten sich auch immer wieder mit ihren südlichen Nachbarn. Dadurch gelangten rund zwölf Prozent des Erbguts des Wollhaarmammuts in die Zellkerne des Präriemammuts.

Die genetische Ausstattung der drei uralten Mammut-Backenzähne verrät den Experten auch, dass die Tiere bereits vor einer Million Jahren über die veränderten Proteine ​​verfügten, mit denen sie sich an das Leben in der bitteren Kälte des sibirischen Winters angepasst hatten. Das zweitälteste Tier hatte bereits die genetische Information, die das dicke Kleid aus bis zu 90 Zentimeter langen Haaren sprießen lässt.

Auch die Backenzähne wurden dem harten Leben im hohen Norden angepasst. „Der Zahnschmelz von Wollmammuts hat die meisten Lamellen aller Elefanten“, erklärt Michael Hofreiter. Dadurch konnten die Tiere die Gräser und Kräuter der kalten Steppe gut kauen, die viel Silikat speichern und dadurch sehr hart werden. Mit ihren langen, gebogenen Stoßzähnen haben die Tiere wahrscheinlich Schnee zur Seite geschaufelt, um zum Grün darunter zu gelangen. Und die Tiere brauchten viel davon. Wissenschaftler konnten in einem in einem Fossil erhaltenen Magen messen: Er bot Platz für 290 Kilogramm Nahrung, vielleicht eine Tagesration.

Einige Kratzspuren an den Stoßzähnen der Mammuts lassen auch den Schluss zu, dass die Tiere die Eisdecke an Flüssen und Seen zersplitterten, um an das Wasser darunter zu gelangen. Die abgeflachten Stämme der Wollmammuts bildeten eine akzeptable Schaufel, mit der sich die Tiere Schnee ins Maul stopfen könnten, um ihren Durst zu stillen.

Die Mammuts hatten sich gut an die Widrigkeiten der Eiszeiten angepasst. Aber gegen die zweibeinigen Jäger, die am Ende des Kalten Zeitalters immer häufiger in den kalten Steppen auftauchten, waren sie wohl weniger gewappnet. Jedenfalls sind alle Mammutarten längst ausgestorben. Davon zeugen heute noch ein paar tiefgefrorene Fossilien und – mit etwas Glück – auch nach einer Million Jahren noch einiges Erbgut, das vom Leben und Sterben der haarigen Riesen erzählt.

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